Barockbau für die Tram

Ein weit über die Fuggerstadt hinaus bekanntes Bauwerk wurde vor 100 Jahren erbaut: die Straßenbahn-Wagenhalle Kriegs­haber. Sie entstand am Ende der nach Kriegshaber verlängerten Linie 2. Von Winfried Wolff
 
In Augsburg wurde 1910 die mit grünem Signallicht (ab 1913 als Linie 2) gekennzeichnete Straßenbahnlinie vom Bahnhof Oberhausen ins Ortszentrum der damals noch eigenständigen Gemeinde Kriegshaber verlängert.
Zum Hinterstellen von Beiwagen wurde an der Endstation eine Wagenhalle vorgesehen. Für den Bau dieser Halle erwarb die Stadt Augsburg von der Gastwirtswitwe Kreszentia Ackermann das Grundstück Kriegshaber Nr. 31 samt Wohn- und Nebengebäude für 15.000 Mark. Eine Mark entspricht einer heutigen Kaufkraft von ungefähr 5 €.
Die Wohnungen wurden an Straßenbahn-Bedienstete vermietet mit beispielsweise folgender Begründung:  »Wir bemerken, dass der Streckenvorarbeiter Niggl die Gleisstrecke von Kriegshaber herein mittelst des im Depot Kriegshaber zu stationierenden Schneepflugs von den Schneemassen zu räumen hat. Es erscheint daher zweckmäßig, daß N. in unmittelbarer Nähe des Depots wohnt.«
Am 3. Juli 1911 wurde der Baumeister Franz Horle mit der Rohbauausführung der Beiwagenhalle beauftragt, da er mit 15.987 Mark das günstigste von sieben Angeboten abgegeben hatte. Spenglerarbeiten übernahm die Firma Josef Sieber für
1.219 Mark, Dachdeckerarbeiten eine Firma Grebe. Für den Verputz sorgte die Oberhauser Firma Franz Weishaupt für 939 Mark, Schlosserarbeiten samt Fensterbau übernahm die Firma Ludwig Wurst für 1.837 Mark. Schreinerarbeiten inklusive der Torflügel erbrachte die Firma Eduard Schaumann für 1.024 Mark.
Die Bauausführung gelang ohne größere Schwierigkeiten, so dass die Wagenhalle im November 1911 ihrer Bestimmung übergeben werden konnte.


Neubarocke Giebelfassade
Den Besucher der Wagenhalle Kriegshaber empfängt die neubarocke Fassade der südlichen Giebelwand mit vier ovalen Fenstern, darüber liegendem Rundfenster und geschwungenem Giebel, den die »Zirbelnuss« aus dem Augsburger Stadtwappen krönt. Die Gemeinde hoffte in dieser Zeit auf eine schnelle Eingemeindung in die Großstadt Augsburg, waren doch die eigenen finanziellen Verhältnisse damals mehr als prekär; daher wurde das Augsburger Wappensymbol von der Gemeinde nicht als Provokation empfunden. Erst 1916 wurde Kriegshaber als für die folgenden gut fünfzig Jahre letztes von seit 1910 sechs eingemeindeten Dörfern Stadtteil von Augsburg.
Im Urzustand fanden sich in der Grundebene hölzerne Einfahrtstore und Rundbogenfenster, welche der integrierten Werkstatt Licht spendeten. Bauhistoriker sprechen von einem »basilikalen« Grundriss der vierschiffigen Halle, mithin einer dem Kirchenbau entlehnten Form. Die Halle ist 24,5 Meter breit und hat eine größte Länge von 41,6 Meter. Die rückwärtige Giebelwand verläuft schräg, grenzt sie doch direkt an nicht nutzbare Grundstücke der damaligen Gemeinde Oberhausen an; die rechte Seitenwand ist damit um fünf Meter kürzer als die linke.
Das von einem offenen Dachstuhl mit Holzstützkonstruktion getragene Dach findet seinen oberen Abschluss durch einen sogenannten Obergaden – eine »Seitenwand mit Fenstern« im oberen Dachbereich –, auch dieses Element stammt ursprünglich wiederum aus dem Kirchenbau.


Acht Gleise via Harfe
Die ostseitig des Wohnhauses gelegene, eingleisige Zufahrt zur Halle konnte vom hinter dem Umsetzgleis der Endhaltestelle gelegenen Stumpfgleis her erreicht werden. Die acht Gleise der Halle waren über eine Gleisharfe angebunden, die teilweise innerhalb der Halle lag. Diese Gleisführung blieb bis zum Ende des alleinigen Betriebs mit Zweirichtungstriebwagen und -beiwagen Ende der 1960er-Jahre erhalten.
Ab Halleneinfahrt war an einem der beiden östlichsten Gleise eine etwa 15 Meter lange Untersuchungsgrube vorhanden; die vorliegenden Pläne widersprechen sich jedoch, an welchem.

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