Auf steiler Spur

Direkt an der Küste zur Irischen See erschließt in Nordwales eine 1902 eröffnete „Tramway“ den Hausberg des Städtchens Llandudno. Bis heute wartet die vor wenigen Jahren modernisierte Standseilbahn mit mehreren Besonderheiten auf.
 

Bei der am 31. Juli 1902 eröffneten kapspurigen Great Orme Tramway in Nordwales handelte es sich um ein technisches Kleinod, das auch nach einer etappenweisen Modernisierung zwischen 2000 und 2006 wenig von seinem Gründerzeitcharme verloren hat. Die auf walisisch als Tramffordd y Gogarth bezeichnete Kabel- und Standseilbahn ist die einzige Anlage dieser Art in Großbritannien. Auf zwei voneinander getrennten Abschnitten mit einer Gesamtlänge von 1.550 Metern überwindet die Tram einen Höhenunterschied von 167 Meter.

Dabei bewältigt sie Steigungen von bis zu 26 Prozent. Im 800 Meter langen Abschnitt zwischen der Talstation Llandudno Victoria und dem Mittelpunkt Half Way Station liegen die Kabel unter dem Fahrbahnbelag und die Trasse verläuft größtenteils über verschiedene Straßen. Hier erinnert die Great Orme Tramway stark an die „Cable Cars“ in San Francisco. Allerdings können die Fahrzeuge nicht beliebig ausgehangen werden. Vielmehr handelt es sich beim unteren Abschnitt der Great Orme Tramway um die zweite neben Lissabon noch bestehende Straßen-Standseilbahn.

Auf dem oberen, dem 750 Meter langen Streckenabschnitt zwischen der Half Way Station und der Bergstation Summit Complex verläuft die Tramway dann als konventionelle Standseilbahn mit eigener Trassierung und offen gelegtem Kabel. Auf beiden Abschnitten gibt es für die blauweiß lackierten Wagen genau in der Mitte jeweils eine Kreuzungsstelle.
 

Die Betriebsabwicklung

Im normalen Fahrplan verkehrt die Great Orme Tramway im 20-Minuten-Takt, wobei dieser zu Spitzenzeiten auch verdichtet wird. Die Fahrzeit pro Streckenabschnitt beträgt etwa sieben Minuten. Da der Streckenmittelpunkt an der Halfway Station zu Fuß überquert werden muss, erhalten die Besucher dort einen Einblick in die Technik der Bahn, denn die Seilzuganlagen sind hinter Glassscheiben gut sichtbar. Bis zum Jahr 1958 waren die alten Kabelwinden noch von Dampfmaschinen angetrieben, seitdem übernahmen Elektromotoren diese Aufgabe.

Die gegenwärtig installierte Seilzugtechnik lieferte die Schweizer Firma Doppelmayr aus Thun in den Jahren 2000/01. Im Zuge der Modernisierung ließ die Kommune auch die ganze Mittelstation umfassend baulich erneuern sowie die Trasse des unteren Abschnittes ertüchtigen. An den sich auf vier Millionen Pfund summierenden Baukosten beteiligten sich auch die EU sowie der britische Lotteriefonds. Als touristische Attraktion mit jährlich zwischen 120.000 und 160.000 Fahrgästen sowie als technisches Kulturgut von internationaler Bedeutung befindet sich die Great Orme Tramway bereits seit 1949 in öffentlicher Hand.

Die Tramfahrzeuge

Die schottische Firma Hurst Nelson & Co. in Motherwell baute für die Great Orme Tramway 1902/03 insgesamt sieben Fahrzeuge mit drei Fuß und sechs Zoll Spurweite (1.067 Millimeter). Bei den Wagen 1 bis 3 handelte es sich um zweiachsige offene Güterwagen, die das Personal bei Bedarf den Per sonenwagen voranstellte, aber bereits 1911 ausschieden. Seitdem sind nur noch die vierachsigen Sitzwagen 4 bis 7 vorhanden. Diese elf Meter langen Sommerwagen mit unverglasten Seitenfenstern verfügen über 48 Sitzplätze. Die Wagen 4 und 5 verkehren ausschließlich auf dem unteren Abschnitt, die Wagen 6 und 7 auf dem oberen Streckenteil.

Während früher auch Stehplätze verkauft worden sind, sind heute nur Sitzplätze zulässig. Ursprünglich fuhren die Fahrzeuge übrigens mit Stromabnehmerstangen. Die dazugehörige Oberleitung lieferte jedoch keinen Fahrbetriebsstrom, sondern diente als Telefonleitung. Auf diese Weise waren Absprachen zwischen den Fahrern und dem Seilwindenmaschinisten möglich. Diese Kommunikationsform löste 1991 der Sprechfunk ab.

Ein Artikel aus STRASSENBAHN MAGAZIN 05/14

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