125 Jahre Straßenbahn in Erfurt

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Bei der weiteren Umsetzung vom »Leitbild Schnellstraßenbahn« erkannte man Kapazitätsengpässe im Bestandsnetz, denen man entgegenzuwirken versuchte. Ein wichtiger Ansatz dazu war die sogenannte Liniennetzentflechtung. Konkret bedeutete das die Herausnahme der Linien 2 und 5 aus der seit 1939 bestehenden »Stammstrecke« im System, also zwischen Domplatz und Hauptbahnhof. Über eine kurze Neubaustrecke wurden diese Streckenäste mit der großen Blockumfahrung durch das südliche Brühl angebunden, deren »Spitze« zum Dalbergsweg stillgelegt.

Anpassungen in der Innenstadt

Ebenso wurde die 1899 für die Ringlinie eröffnete alte Brühlstrecke  zwischen Domplatz und dem Anschluss der Neubaustrecke stillgelegt. Ziel war dabei, Platz für einen dichteren Verkehr ins Rieth sowie für die Bedienung einer weiteren Neubaustrecke im Norden zu schaffen. Weiterhin sollte das Potenzial der in ihrem Nordabschnitt gut ausgelasteten Linie 1 auch am anderen Ende genutzt werden. Dazu verband man die Abschnitte zum Hauptfriedhof und zur iga über besagte kurze Neubaustrecke zum Nordbahnhof. Sämtliche Neubaustreckenabschnitte wurden konsequent nach den Kriterien der Schnellstraßenbahn errichtet. Im Brühl entstand auf diese Weise sogar ein optisch wenig attraktiver offener Schotterbahnkörper, der abgezäunt sogar querenden Fußgänger- und Fahrradverkehr in die zweite Ebene zwang. Diese tiefgreifende Umstrukturierung des Netzes zum »Achsenkreuz« erfolgte unter dem Begriff »Netzentflechtung« und brachte zahlreiche Änderungen mit sich, von denen einige nur relativ kurzen Bestand haben sollten. Im Dezember 1979 ersetzte im Süden eine kurze Neubaustrecke zur Schleife Melchendorfer Straße das letzte Stück zur Schleife Käthe-Kollwitz-Straße der Linie 3. Bereits im Oktober tauschten die Linien 4 und 5 ihre südlichen Streckenäste – nach mehr als sechs Jahren war die »4« zumindest im Süden auf ihre angestammte Strecke zurückgekehrt.

Das Netz wächst

Die Altstrecke beim Gothaer Platz erfuhr bis 1980 in Fortsetzung der neuen Brühlstrecke eine aufwendige Neutrassierung in unabhängiger nördlicher Seitenlage. Im weiteren Verlauf erhielt die Linie 1 eine weitere Neubaustrecke vom Gothaer Platz über Lauentor (mit Zwischenschleife Günterstraße für die Verstärkerlinie 11) zur Binderslebener Landstraße mit Anschluss an die angestammte Trasse zum Hauptfriedhof. Auch diese Abschnitte wurden nach Schnellstraßenbahn-Kriterien realisiert. Am 30. April 1981 erhielt die kurze Neubaustrecke zur Schleife Melchendorfer Straße eine erste Fortsetzung zur Erschließung eines neuen Wohngebietes im Südosten der Stadt, zur Wendeschleife Kranichfelder Straße, befahren von der Linie 3. Im Dezember desselben Jahres verlor der kurze Abschnitt zum Pappelstieg endgültig seinen regelmäßigen Linienverkehr. Die Linie 5 fuhr zunächst parallel zur Linie 3 zu deren nördlichem Endpunkt, der inzwischen die neue Bezeichnung Ulan-Bator-Straße erhalten hatte. Von nun an wuchs das Netz im Südosten im Zweijahresrhythmus und mindestens mit dem Bebauungsfortschritt. Schon 1983 war mit Melchendorf der zwischen 1949 und 73 mit dem Obus erreichbare Vorort wieder mit einer schnellen und direkten Verbindung zum Stadtzentrum versorgt.

Aus fünf Linien werden sechs

1985 kam die Strecke zum Wiesenhügel hinzu, und es gab erstmals sechs Hauptlinien bei der Erfurter Straßenbahn. Linie 6 verknüpfte fortan beide Achsen des »Achsenkreuzes«: vom Nordbahnhof kommend wurde über eine neu am Angerkreuz eingefügte Verbindungskurve auf die Bündelungsstrecke der Linien 3 bis 5 in die Bahnhofstraße gewechselt. Von dort folgte die neue Linie der »3« bis zum Gleisdreieck bei Melchendorf, wo die Neubaustrecke abzweigte. Das von nun an bestehende Liniennetz sollte in seiner Grundstruktur, von einzelnen Änderungen wie Streckenverlängerungen sowie den sich ändernden Verläufen der Linie 2 östlich des Angers abgesehen, noch bis nach der Jahrhundertwende Bestand haben. Bis Herbst 1989 kam das Stück bis zur neuen Wendeschleife Windischholzhausen (Urbicher Kreuz) hinzu. Direkt hinter der Wendeschleife, die als Besonderheit im Uhrzeigersinn befahren wird, wurde ein dritter Betriebshof angelegt. Hier befindet sich seit 1994 der Hauptsitz des Erfurter Nahverkehrsunternehmens, das seit 1992 Erfurter Verkehrsbetriebe AG heißt. Den Abschluss des Ausbauprogramms aus DDR-Tagen bildeten jedoch erst weitere Verlängerungen im Erfurter Norden. 1988 wurde dazu die Strecke zum Nordbahnhof zunächst um ein kurzes Stück zurückgezogen, um Baufreiheit für die Brücke über die Eisenbahnstrecke Erfurt – Nordhausen zu schaffen.

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siehe Bildunterschrift
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